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GEW-Landesvize: »Das Paket wird sein Ziel verfehlen«
Lehrerproteste in Sachsen halten an. Widerstand auch gegen Kürzungen bei Bildung und Demokratieprojekten
Viel Zeit bleibt nicht mehr: Bis Ende Mai will Sachsens Kultusminister Conrad Clemens (CDU) ein Maßnahmenpaket im Kabinett absegnen lassen, mit dem er den Lehrermangel im Freistaat lindern möchte, das aber auf massive Proteste der Lehrerschaft stößt. Diese sollen nun kurz vor Toresschluss noch einmal auf die Straße getragen werden. An diesem Donnerstag findet in Dresden unter dem Motto »Bildung am Limit. Investitionen statt Sparpolitik« eine Großdemonstration statt. Die Veranstalter rechnen mit einigen tausend Teilnehmern.
Zu starker Beteiligung dürfte der Umstand beitragen, dass es diesmal, anders als bei mehreren Demonstrationen im April, nicht nur um das Lehrerpaket geht, sondern auch um den Sparkurs der Landesregierung, der Bereiche wie die politische Bildung oder Projekte zur Förderung der demokratischen Zivilgesellschaft massiv treffen würde. Das Netzwerk »Tolerantes Sachsen« befürchtet, dass viele Vereine und Initiativen vor allem im ländlichen Raum ihre Arbeit einstellen müssten, was »gravierende Auswirkungen auf den demokratischen Zusammenhalt des Landes« hätte. Es fordert den Landtag zu deutlichen Korrekturen am Regierungsentwurf auf. Das Parlament soll den Etat vor der Sommerpause im Juni beschließen. Die Koalition aus CDU und SPD braucht aber mindestens zehn Stimmen aus der Opposition von BSW, Grünen und Linke, die im Gegenzug auf Zugeständnisse pochen.
Das »Tolerante Sachsen« und das ebenfalls in der Demokratiebildung aktive Kulturbüro Sachsen gehören daher zu den Organisationen, die den Aufruf zur Demonstration unterzeichnet haben, neben der Gewerkschaft GEW, dem Sächsischen Lehrerverband (SLV), einem Kita-Bündnis sowie Landeseltern- und -schülerrat. Auch der DGB ist Mitunterzeichner. Landesvize Daniela Kolbe kritisiert, Sachsen habe »seit Jahren zu wenig in die Bildung investiert«. Mit dem jetzt geplanten massiven Sparkurs drohten weitere »deutliche Rückschritte«. Besonderes Anliegen des DGB bei der Demonstration ist es, Forderungen nach einem Rechtsanspruch auf fünf Tage Bildungszeit Nachdruck zu verleihen. Einen entsprechenden Volksantrag hatten in der vergangenen Wahlperiode 55 000 Menschen unterschrieben. Die seit Ende 2024 amtierende CDU/SPD-Minderheitsregierung will allenfalls drei Tage zugestehen. Bisher ist Sachsen eines von zwei Bundesländern ohne gesetzlichen Anspruch auf Bildungsurlaub.
»Das wird den Druck auf ein System erhöhen, das schon jetzt am Limit ist.«
Claudia Maaß GEW-Landesvize Sachsen
Kernthema der Demonstration sind aber die Pläne im Schulbereich. Weil in Sachsen 1400 Lehrer fehlen und knapp jede zehnte Stunde ausfällt, hat Minister Clemens eine Reihe von Maßnahmen vorgestellt, um das vorhandene »Lehrerarbeitsvermögen noch effizienter einzusetzen«. So müssen Lehrer, die als Fachberater tätig sind, künftig zwei Stunden länger vor Klassen stehen. Es soll weniger Abordnungen in die Schulverwaltung geben. Die bisher Lehrern obliegende Koordination von Ganztagsangeboten soll von Assistenzkräften übernommen werden. Vor allem aber soll die »Altersermäßigung«, mit der ältere Lehrerinnen und Lehrer ihr Stundenpensum reduzieren können, erst ab 63 statt wie bisher ab 58 gewährt werden.
Vor allem dieser Punkt sorgt für enormen Frust und habe auch bereits zu ersten Kündigungen geführt, sagt Claudia Maaß, Vizechefin der GEW in Sachsen. Lehrerinnen und Lehrer hätten das Schulsystem schon bisher »durch sehr viel unbezahlte Mehrarbeit am Laufen gehalten« und seien verärgert, dass ihnen nun auch kleine Zugeständnisse verwehrt werden sollen. Clemens hatte angesichts der Proteste angedeutet, es könne einige Zugeständnisse geben. So könnten die Maßnahmen zeitlich begrenzt werden. »Das ist das Mindeste«, sagt Maaß, die aber ansonsten trotz der Proteste nicht mit nennenswerten Abstrichen am Paket rechnet. Dieses werde »sein Ziel, den Ausfall zu senken, verfehlen«, prognostiziert die Gewerkschafterin, aber es werde »den Druck auf ein System erhöhen, das schon jetzt am Limit ist«. Wie die Gewerkschaft nach einem Kabinettsbeschluss reagiert, bleibe abzuwarten. Nötig seien »Maßnahmen, um die Gesundheit der Kolleginnen und Kollegen zu schützen«, sagte Maaß »nd«. Außerdem würden die Arbeitsbedingungen aller Voraussicht nach in der im Herbst beginnenden Tarifrunde erneut zum Thema gemacht.
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